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.“„Natürlich!“Der Graf schien geradezu erleichtert zu sein.„Sehen Sie, das war die kostbarste Lektion, die meine Mutter mir fürs Leben mitgegeben hat: Es kommt darauf an, die richtigen Verbündeten zu finden.“ Er klopfte Thomas auf die Schulter.„Und umso schöner, wenn Verbündete auch Freunde sind.“TAG UND NACHTIsabelle kam nicht eine Stunde nach dem Fest und auch nicht nach zwei Stunden.Schließlich hielt es Thomas nicht mehr aus.Er schlich über den Flur, bis er einen Blick auf die Treppe werfen konnte.Im zitternden Schein seiner Kerze wirkten die Ahnenbilder fast lebendig.Das größte Gemälde stellte wohl den Altgrafen dar.Sein Blick wirkte kühn und entschlossen, eines Kriegers würdig.Er trug eine kurze Militärperücke, die seine Ohren unbedeckt ließ.Seine Hand, die eher einer Pranke glich, lag am juwelenverzierten Knauf eines Degens.Irgendetwas stimmte hier nicht, aber Thomas hätte nicht sagen können, was.Vielleicht waren es die harten Züge des Mannes, die beinahe etwas Grausames hatten? Obwohl es nur ein Bild war, fühlte sich Thomas bedroht.Wenn er noch leben würde und ich träfe mich heimlich mit seiner Tochter, würde ich in einer finsteren Kerkerzelle enden – oder Schlimmeres.Rasch wandte er den Blick zum Bildnis der Gräfin: eine Dame mit feinem Gesicht, spitzem Kinn und dunklen Augen.Auf ihren Knien hielt sie einen etwa zweijährigen Knaben.Thomas schielte zur Signatur des Künstlers.Dort war auch das Entstehungsjahr vermerkt.Der Knabe musste inzwischen etwa siebenundzwanzig sein, also war er nicht Jean-Joseph d’Apcher.Es hatte also noch einen älteren Bruder gegeben, und vermutlich war dieser – wie so viele Kinder – zu jung gestorben, um einen eigenen Platz in der Ahnenreihe zu bekommen.Thomas kniff die Augen zusammen und studierte noch einmal jede Einzelheit der beiden Porträts.Er spürte einen Riss in der prächtigen Fassade.Katholisch und keltisch, dachte er.Modern und barbarisch.Zwei Welten in einem Schloss.So wie Isabelle und ihr Bruder.Er musste sich ohnehin die Zeit vertreiben, also stellte er die Kerze auf den Sockel am oberen Ende der Treppenbalustrade, setzte sich auf die erste Stufe und holte ein Stück Papier hervor.Konzentriert, mit sorgfältigen Strichen skizzierte er das Grafenpaar.Und stutzte, als er im Hintergrund des Gräfinnenporträts eine kleine, wohlbekannte Statue entdeckte: eine schwarze Madonna mit einer Perlmuttlilie über dem Herzen.Veilchenduft riss ihn aus seinen Gedanken.Er sprang auf, wandte sich zu seiner Kerze um – und da war Isabelle!Sie legte den Finger auf die geschlossenen Lippen und horchte.Jetzt hörte Thomas es auch: Irgendwo flüsterte und kicherte es, wahrscheinlich Gäste, die auf Zehenspitzen in fremde Schlafgemächer huschten.Isabelle blies die Flamme aus.Thomas wusste, er würde nie wieder Ruß riechen können, ohne dieses Bild vor sich zu sehen: Isabelles Gesicht, das in der Dunkelheit vor ihm zu schweben schien, weil ihr schwarzer Mantel mit der Dunkelheit verschmolz.Augen, die im Licht der Flamme golden wirkten, Rabenhaar, das ihr, nun vom Puder gereinigt, frei über die Schultern fiel.Tag und Nacht, dachte er.Es ist wie in einem Märchen – am Tag ist sie eine Prinzessin, bei Nacht verwandelt sie sich in das Rabenmädchen.Sein Herz machte einen Satz, als sie einfach seine Hand nahm.Er folgte ihr, ohne zu fragen, ohne einen Moment des Zögerns oder des Zweifels.Sie führte ihn durch Flure, die im Licht eines umschatteten Halbmonds wie Geisterpfade wirkten.Erst als der staubige Holzduft einer Kammer sie umgab, ließ Isabelle zu seiner Enttäuschung seine Hand wieder los.Die Tür schloss sich.„Ich konnte nicht eher und ich habe nicht viel Zeit“, flüsterte sie.„Mein Bruder sorgt dafür, dass ich keine Minute allein bin.Und ich hoffe, meine Zofe schläft jetzt nach dem Fest tief genug.“Ein winziges Fenster schnitt ein indigoblaues Rechteck aus dem Himmel.In diesem Rest von Helligkeit konnte er nur einen Wangenbogen von Isabelle erahnen.„Wo sind wir?“„In einem Dienstbotenzimmer.Früher habe ich mich immer hier versteckt, wenn ich für mich sein wollte.“Sie tastete nach seinem Ärmel und zog ihn mit sich.Kurz darauf saßen sie auf dem Boden, an eine Truhe gelehnt wie zwei Kinder, die sich ein Versteck gesucht hatten.Ihre Nähe machte ihn beinahe schwindelig.„Vorhin auf dem Fest hat jemand von der Verhaftung erzählt“, sagte Isabelle mit banger Stimme.„Stimmt das? Jean, Antoine und Pierre sind im Gefängnis?“„Ja, aber noch gibt es kein Urteil.“„Was ist denn nur passiert?“ Die Sorge in ihrer Stimme schnitt ihm ins Herz.Gerne hätte er tröstend ihre Hand genommen, aber er wagte es nicht.Stattdessen begann er zu erzählen.Er spürte, wie angespannt sie lauschte.Als er geendet hatte, holte sie tief Luft.„Bitte sagen Sie Thérèse, dass ich alles tue, damit Jean und ihre Söhne freikommen! Ich werde mit de Morangiès sprechen.“ De Morangiès.Der Name war wie ein kalter Hauch in der Kammer.„Wer passt denn jetzt auf Marie und ihre Schwestern auf?“„Bastien lässt sie nicht aus den Augen.Und in ein paar Tagen bin ich auch wieder dort.Und sie … lässt Ihnen ausrichten, dass sie jede Nacht von der weißen Katze träumt.“ Ein leises, überraschtes Atemholen war die Antwort, doch sie sagte nichts dazu.„Und sie hat mir auch gezeigt, wie man die bourrée tanzt“, fuhr Thomas fort.„Diesen Tanz … mochten Sie besonders gern?“Eine Pause entstand und Thomas fürchtete schon, dass Isabelle nun aufstehen und gehen würde.Aber dann überraschte sie ihn mit einem Lachen.„Ihn mögen? Ich habe die bourrée getanzt, bevor ich sprechen konnte!“„In welcher Sprache? Okzitanisch?“ Die Frage war ihm herausgerutscht.Dass er bereits zu weit gegangen war, merkte er daran, dass Isabelle ein wenig von ihm abrückte.„Warum wollen Sie das wissen?“Zehn Ausreden lagen ihm auf der Zunge, aber hier, in ihrer Nähe, schienen die Strategien und Winkelzüge, die er sonst so gut beherrschte, völlig fehl am Platz.Er konnte und wollte nicht mehr der Thomas aus Versailles sein.„Weil ich noch nie eine Frau kannte, die zwei verschiedene Seelen zu besitzen scheint und zwei Leben mit zwei Sprachen.Und ich will einfach wissen, wer sie im Herzen wirklich ist.“„Und Sie? Wer sind Sie, Thomas? Verraten Sie mir doch etwas über Ihr Herz, bevor Sie nach meinen Geheimnissen fragen.Was fühlen Sie? Jetzt, in diesem Augenblick? An wen denken Sie?“Ihre Direktheit verunsicherte ihn auch diesmal wieder.Es war, als hätte die Nacht jegliche schützenden Grenzen zwischen ihnen aufgehoben.Plötzlich war seine Kehle trocken
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