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.«In der stürmischen See meines neuen Lebens empfand ich Martín Segundos Apotheke als eine Insel der Geborgenheit und Ruhe.In den vergangenen Wochen war dieser Raum für mich ein Zufluchtsort geworden, eine geheime Kammer der Wunder.Oft verschloss Martín sogar die Ladentür, und Bartola, Lien und ich verbrachten eine Stunde und mehr damit, Martíns Gewürzwein zu trinken und seinen Geschichten von den Wundern der Neuen Welt zu lauschen, die sein Bruder Fermín als Missionar erkunden durfte.Selbst Bartola, die Martín mit Inbrunst als »heidnischen Giftmischer« beschimpfte, bestaunte nur allzu gern den aztekischen Schmuck.»Welche Freude, die Karthagerin, die Niederländerin und die italienische Schönheit vom Lande!«, rief Martín Segundo aus, als wir an diesem Tag seinen Laden betraten.»Wenn ich eine Schönheit bin, seid Ihr der langhaarige Prinz von Persien«, wies Bartola ihn streng zurecht.»Wäre ich der Prinz von Persien, wärt Ihr allein meine Prinzessin, Señora!«, konterte der Apotheker galant.Sein breites Grinsen verriet seine diebische Freude darüber, dass Bartola vor Entrüstung rot anlief.Und wieder einmal war es Martín gelungen, mich zum Lachen zu bringen.»Lass es gut sein, Martín«, sagte ich.»Bring meine arme Alte nicht in Verlegenheit.Sag mir lieber, ob die Lieferung Mastix angekommen ist, die ich bestellt habe.«Martín hob die Schultern.»Ich bedauere, meine Königin von Karthago.Durch das Autodafé haben sich viele Lieferungen verzögert.Hast du nicht gesehen, was in den vergangenen Tagen in Toledo los war? So viele Fremde in der Stadt! Und alle, die vom Land kommen, strömen sofort in die Apotheken, wollen Liebestränke und Wundermedizin gegen Krankheiten, die sie schon seit Jahren plagen– und natürlich ein Mittel für eine stramme Nacht im Freudenhaus.«Bartola räusperte sich mit Nachdruck.»Verzeiht, Bartola«, sagte Martín.»Ich weiß, ich sollte auf Lien Rücksicht nehmen.Aber es ist nun mal so, wie ich es sage, und die Wahrheit hat noch keine Jungfrau verdorben.Der Tod wirkt auf die Leute wie ein berauschendes Getränk.Als müssten sie sich selbst beweisen, dass sie noch am Leben sind.« Er seufzte und kniff sich in die Nasenwurzel, als hätte er Kopfschmerzen.Jetzt erst fiel mir auf, dass Martíns Augen gerötet waren.Hatte er geweint?»Was ist mit Euch, Martín?«, kam Lien meiner Frage zuvor.»Ihr seht traurig aus.Ist etwas passiert?«Plötzlich war Martíns Fröhlichkeit wie weggeweht.Er räusperte sich, ohne ein Wort herauszubringen, und wedelte mit seiner weißen, zierlichen Hand abwehrend vor der Nase herum, als ließe sich ein Kummer so leicht vertreiben wie ein lästiges Insekt.»Nur einer, den ich kannte«, sagte er heiser.»Und das nicht einmal besonders gut.Ein Kunde von mir, ein Morisco– er war ein guter Kerl.Hatte ein Seidengeschäft, mit dem er viel Gewinn machte.Vor zwei Monaten hat ihn irgendjemand beim Heiligen Offizium angezeigt.Er… wurde gestern hingerichtet.«Ich fröstelte.Von den spanischen Moriscos hatte ich schon gehört.Es waren ehemals muslimische Mauren, die den christlichen Glauben angenommen hatten.Ihnen legte die Inquisition oft zur Last, heimlich immer noch dem Propheten Mohammed anzuhängen.»Es tut mir leid um deinen Freund, Martín«, sagte ich.Lien sagte nichts, sondern trat einfach zu Martín hinter den Ladentisch und legte ihm den Arm um die Schultern.Der Anblick der beiden Menschen prägte sich mir so deutlich ein, dass ich die Szene noch heute genau vor mir sehen kann, wenn ich die Augen schließe: den rundlichen traurigen Mann, über dem das grinsende Krokodil schwebt.Und an seiner Seite, leuchtend wie eine Flamme, diese rätselhafte Madonnengestalt mit dem sinopiaroten Haar.Ein Mal mehr wurde mir in diesem Moment bewusst, wie viel Lien mir inzwischen bedeutete.Eines Tages, das schwor ich mir, würde ich sie malen.»Ich werde für Euren Freund beten«, sagte sie mit sanfter Stimme.»Für einen Mauren beten, der den rechten Glauben verraten hat!«, brummte Bartola missbilligend.»Ja, auch für einen Mauren!«, entgegnete Lien mit einer zornigen Entschlossenheit, die keinen Widerspruch duldete.»Sollen wir darüber richten, ob jemand eines Gebetes wert ist? Gott allein steht es zu, ein Urteil zu sprechen, niemandem sonst!«Ich erschrak, als ich diese Worte hörte, und auch Bartola bekreuzigte sich.»Lien!«, zischte ich.»Hör auf, solche Dinge zu sagen.Denke sie von mir aus, aber sprich sie niemals– niemals!– laut aus.«»Verzeiht, Signora«, gab Lien sehr viel leiser zurück.»Ich wollte nicht… Ich meinte…«Martín tätschelte Liens Hand, die auf seiner Schulter lag.»Ach Kind«, murmelte er.»Du hast Recht, ja, aber Sofonisba ist hier dennoch klüger als du.Behalte solche Worte für dich.Aber hab trotzdem Dank für deine Güte.Es ist ein Kummer, der vergehen wird.Es ist nur… Die Leute sind wie Vieh, wenn es darum geht, andere leiden zu sehen.«»Das sind sie wirklich«, antwortete Lien aus vollem Herzen.»Aber wir hier sind kein Vieh.Und darauf kommt es an.«Liens Worte berührten mich und ließen sie plötzlich wieder fremd erscheinen.Hinter ihrer Sanftheit spürte ich das Dunkle wieder, den Jähzorn und eine verzehrende Wut, die ich nicht einordnen konnte.»Ach, aber sprechen wir doch von angenehmeren Dingen«, seufzte Martín.»Unsere Mozuela ist ja schon ganz blass.Dabei habe ich gerade für sie heute einen kleinen Schatz unter dem Ladentisch versteckt.«»Für mich?«, fragte Lien verdutzt, als Martín ihr ein hölzernes Kästchen mit einer roten Schleife reichte.»Von wem?«»Der Schenker hat seinen Namen nicht genannt.Ein Bote kam heute Morgen zu mir und trug mir auf, die Schatulle zu füllen und den versiegelten Brief dazuzulegen.Alles ist bezahlt worden und gehört dir.Ich sollte dir das Geschenk geben, wenn du das nächste Mal Farben kaufst.«Liens Hände zitterten, als sie das Band löste und den Deckel der Kassette aufklappte.Zum Vorschein kamen mehrere Glasgefäße mit Pigment.Ich schnappte unwillkürlich nach Luft.»Die sind teuer!«, rief ich.»Mit diesen Farben könntest du ein Bild für einen König malen.Das ist Karminrot… und Drachenblut, Zinnober, Krapplack… und sogar Safran und ein wenig Azurblau.«Lien stand da wie erstarrt, dann griff sie so vorsichtig, als würde sie eine Verletzung fürchten, nach dem Brief und brach das Siegel.»Was soll sie denn um Himmels willen mit so viel Rot und Orange?«, wunderte sich Bartola.»Was für ein Bild sollst du damit malen? Ströme von Blut und Lava?«Liens Blick flog über die Zeilen hinweg.Ihre Wangen begannen zu glühen und verstärkten das Leuchten, das sie seit einigen Tagen umgab.»Die Farben erinnern an mein Haar«, murmelte sie verlegen.Bartola kniff misstrauisch die Augen zusammen.»Wen erinnern sie daran?«, sagte sie im Tonfall einer Anstandsdame, die Blut gewittert hatte.»Wer hat dir den Brief geschrieben, Mädchen?«Lien presste die Lippen zusammen und schwieg, aber ich wusste die Antwort plötzlich auch so.Wäre sie meine Schwester gewesen, hätte ich ihr verboten, die Farben zu behalten
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