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.Kathi blieb atemlos stehen und lauschte.Sie hörte Hellwangs Stimme.Der Tisch, an dem die beiden unten saßen, befand sich genau unterhalb des rechten Fensters.Es war gefährlich, sich hinauszubeugen, das leiseste Kratzen am Fensterbrett, das Klirren eines Münzenknopfes an ihrem Dirndlgewand konnte sie verraten.Und wenn es auch dunkel war, der Mond war längst unter den Horizont getaucht, so finster war es nicht, daß man nicht im Kerzenschimmer oder in dem seitlich einfallenden Laternenschein ihr Gesicht entdecken konnte.Dennoch schob sie die Nase vorsichtig über die Fensterbrüstung.Die Neue lag lässig ausgestreckt in der einen Korbliege, Hellwang saß einen halben Schritt von ihr entfernt auf der anderen und schenkte gerade in die Gläser ein.»Achtunddreißig Jahre.«, hörte Kathi ihn sagen, »das ist mehr als die Hälfte eines Menschenlebens — aber wieviele von diesen achtunddreißig Jahren lebt man denn eigentlich bewußt? Doch höchstens zwanzig Jahre oder zwei oder drei darüber.Nein, das Leben beginnt nicht mit der Geburt, es beginnt dort, wo uns der Wunsch erfaßt, seine Oberfläche anzukratzen, um zu sehen, was dahinter steckt.«»Ach.!« sagte die Neue und verdrehte die Augen.Hellwang trank aus seinem Glase und setzte es auf den Tisch ab.Auch er streckte sich auf seiner Liege bequem aus und verschränkte seine Hände unter dem Kopf.»Achtunddreißig Jahre.« wiederholte er und blickte zum Himmel empor, über den eine Sternschnuppe ihre feurige Spur zog, »wissen Sie, man müßte weiser und gescheiter sein, wenn man sie voll gelebt hätte.Nein, nein, man darf die ersten zwanzig Jahre abstreichen und demnächst den neunzehnten wirklichen Geburtstag feiern.«Auch Fräulein Zögling verschränkte die Arme unter dem Kopf.Ihre rohseidene Bluse spannte sich über den Brüsten.Als sie ins Haus kam, waren sie bedeutend flacher gewesen.»Nach dieser Rechnung wäre ich also gerade vierzehn geworden«, sagte sie mit einem kleinen, gurrenden Lachen.Kathi schoß die Galle ins Blut.Es zuckte ihr in den Fingern, den schwarzen Marmorwürfel zu packen, den Hellwang als Briefbeschwerer benutzte, und ihn dem koketten Luder aufs Hirnkastl zu schmeißen.Sie hörte nicht hin, was Hellwang weiter an schwermütigen Weisheiten verzapfte, sie sah nur, daß die Neue ein wenig ungeduldig mit den Beinen zappelte, so daß ihre Knie unter dem kurzen Rock zum Vorschein kamen, runde Knie in Nylons, deren Gewebe im Kerzenlicht rötlich aufschimmerte.Wenn Hellwang es nicht bemerkte, so bemerkte es Kathi um so deutlicher — und ihr wurde himmelangst.Vorläufig redete er ja noch sozusagen nur theoretisch darüber, daß er sich so um die zwanzig herum fühle.Aber wie lange noch? Solch sternenklare, laue Sommernächte hatten es in sich! Kathi wußte das aus eigener Erfahrung nur zu gut.Und die Neue sah gerade so aus, als ob sie den Apfel vom Baum der Erkenntnis schon gepflückt hätte und nur noch auf den günstigen Augenblick wartete, wo er Appetit bekam und hineinbiß.Kathi schob sich lautlos vom Fensterbrett ab.Das reglose Lauschen war beschwerlich und gefährlich, denn wie leicht konnte sie ein Niesreiz ankommen, oder der Grimm konnte sie so sehr übermannen, daß sie bei dem Getändel dort unten die Beherrschung verlor und der Neuen doch noch ein hartes Trumm auf die Reize ihrer Figur warf.Während sie zur Tür schlich, bemerkte sie plötzlich auf dem Bücherbord, wo Hellwangs Reisemitbringsel standen — tunesische beilförmige Fächer, altrömische Öllämpchen und marokkanische Messingkrüge — im mattblinkenden Silberrahmen Luisas Bild.Es lächelte auf sie nieder und — blinzelte ihr zu.Fast hätte sie sich durch einen Aufschrei verraten.Jessas naa! So sah ihr die selige Frau in diesem Augenblick auch gewiß von droben zu.Oder — wollte sie ihr etwa ein Zeichen geben? — Das Blut strömte zu ihrem Herzen zurück.Und einer raschen Eingebung folgend, überwand Kathi ihren Schrecken und ihre Scheu, nahm das Bild vom Bord herab und legte es mitten auf Hellwangs Schreibtisch, auf den halbbeschriebenen Bogen.Das sollte ihm zu denken geben! —Unten hob Fräulein Zögling plötzlich aufmerksam das Gesicht: »Kam das Geräusch soeben nicht aus Ihrem Zimmer?«Hellwang schüttelte den Kopf: »Ich habe nichts gehört.«»Merkwürdig«, murmelte sie, »mir war es so, als sei im Haus eine Tür gegangen.«»Wahrscheinlich geistert Kathi da oben noch herum«, meinte er, »oder manchmal ist es an solchen warmen Tagen auch das Holz, das im Dachstuhl arbeitet.«Aber Fräulein Zögling blieb beunruhigt: »Vielleicht ist auch eines von den Kindern aufgewacht.Entschuldigen Sie mich für einen Augenblick, Herr Doktor, aber ich will doch lieber einmal nachschauen.« Sie erhob sich und ging ins Haus.Sie hatte einen ganz bestimmten Verdacht und hielt sich nicht eine Sekunde damit auf, ins Kinderzimmer hineinzusehen.Sie schaltete das Licht im Treppenhaus an, nahm die Stufen mit ein paar raschen Sprüngen und stieß die Tür zu Hellwangs Arbeitszimmer auf.Nichts.Sie hob witternd die Nase.Nichts? Ein schwacher, kaum wahrnehmbarer Geruch nach Bittermandelöl hing in der Luft — nach Kathis Mandelseife [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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