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.»Das müssen wir für die Schule lesen, aber es ist verdammt gut.«»Sag nicht verdammt«, ermahnte ihn Kincaid, »es sei denn, du meinst es wörtlich.Aber es freut mich, dass dir das Buch gefällt.« Er unterdrückte ein Grinsen und streckte die Hand aus, um Tess zu kraulen, die aufgeregt hechelte und dabei ihre kleine rosa Zunge aus dem Maul hängen ließ.»Bist du deshalb nicht unten geblieben, um Wes zu helfen?«Kit wandte das Gesicht ab; er schien sich schon wieder in sein Schneckenhaus zurückziehen zu wollen.»Ich brauche keinen Aufpasser«, murmelte er nach einer Weile.»Ich bin schließlich kein kleines Kind mehr.«»Hat das irgendwer behauptet?«, fragte Kincaid, der sich alle Mühe gab, seine Überraschung zu verbergen.Sein Sohn und Wesley waren die dicksten Freunde, und normalerweise wollte Kit den jungen Mann gar nicht gehen lassen.Unwillig zuckte Kit mit den Achseln.»Wes und Toby haben nach der Schule auf mich gewartet.Ein paar Jungs aus meiner Klasse haben gemeint, ich hätte einen Babysitter.« Er sprach das Wort mit tief empfundener Verachtung aus.Kincaid zögerte einen Moment, während er überlegte, wie er wohl am besten das heikle Problem der Demütigung eines Zwölfjährigen durch seine gleichaltrigen Schulkameraden angehen könnte.»Kit, ich bin mir sicher, dass Wes und Toby dich nur deshalb von der Schule abgeholt haben, weil Toby es nicht erwarten konnte, dich zu sehen, zumal, da Gemma ja übers Wochenende verreist ist.Aber wenn es dir lieber ist, können wir Wesley bitten, Toby direkt nach Hause zu bringen.« Er lächelte verständnisvoll.»Ich schätze, es ist nicht besonders cool, wenn man ein vierjähriges Brüderchen hat, das einen ständig anhimmelt, was?«Kit errötete immerhin ein wenig, aber er protestierte dennoch.»Warum muss Wes denn überhaupt bleiben? Ich kann doch auf Toby aufpassen – das hab ich schließlich schon oft genug gemacht.Hast du vielleicht kein Vertrauen zu mir?«»Du machst das wirklich prima mit Toby«, versicherte Kincaid ihm.»Und wir wissen es sehr zu schätzen, dass du so oft auf ihn aufpasst.Aber wir finden es auch nicht fair, dich immer als Babysitter einzuspannen.Was ist denn, wenn du mal wegen eines Projekts länger in der Schule bleiben musst oder wenn du etwas mit Freunden unternehmen willst?«Als Kit keine Antwort gab, kam Kincaid der Gedanke, dass es vielleicht gerade umgekehrt war – dass die verantwortungsvolle Rolle als Tobys Babysitter Kit davor bewahrte, sich Gedanken über den Mangel an Einladungen von Klassenkameraden machen zu müssen.Während Kincaid noch darüber nachgrübelte, wie er mit dem Thema umgehen sollte, kam Toby polternd die Treppe heraufgestürmt, um zu melden, dass das Essen fertig sei.»Wir reden später noch darüber«, sagte Kincaid.Er gab Kit einen Klaps auf die Schulter und stand auf.»Aber jetzt solltest du vielleicht erst mal runtergehen und Wesley ein Kompliment für sein karibisches Hühnchenfleisch machen.«Er ließ sich Zeit, als er den Jungen nach unten folgte, und dachte noch einmal über das Gespräch mit seinem Sohn nach.Als sie Kit an Weihnachten zu sich nach London geholt hatten, war ihnen klar gewesen, dass die Umstellung für ihn nicht leicht sein würde.Seit dem Tod seiner Mutter im vergangenen Frühling hatte Kit bei seinem Stiefvater Ian McClellan in der Nähe von Cambridge gewohnt und die Wochenenden in London bei Duncan und Gemma verbracht.Obwohl Ian zum Zeitpunkt von Vics Tod schon von ihr getrennt gelebt hatte, hatte er noch immer das Sorgerecht für Kit.Kincaid hatte es zunächst bei dieser Regelung belassen, da er nicht noch mehr Unruhe in das Leben seines Sohnes bringen wollte, und schließlich war er mit Ian zu einer gütlichen Regelung gelangt.Aber das alles hatte sich geändert, als Ian zu Beginn des neuen Jahres eine Dozentenstelle in Kanada angenommen hatte.Kincaid hatte Kit zu sich nehmen wollen, womit Ian sich einverstanden erklärt hatte.Er hatte das Einfamilienhaus in Grantchester, in dem Kit seine Kindheit verbracht hatte, zum Verkauf angeboten, und Kit war mit Duncan, Gemma und Toby zusammengezogen.Alles schön und gut – aber hatte Kincaid sich wirklich eingebildet, dass Kit den Umzug problemlos verkraftet habe, nur weil der Junge sich nicht beklagt hatte? Er beschloss, dass er sich mehr Mühe geben würde; er würde mehr Zeit mit Kit verbringen und sich darüber informieren, wie es in der Schule lief.Aber nachdem Wesley sich verabschiedet hatte, um seine Schicht im Café anzutreten, und Kincaid Toby ins Bett gebracht und ihm seine Gutenachtgeschichte vorgelesen hatte, wollte Kit plötzlich den Actionfilm, auf den er sich so gefreut hatte, nicht mehr sehen.Stattdessen erklärte er, er wolle sein Buch zu Ende lesen, und zog sich in sein Zimmer zurück.So blieb Kincaid allein in der Küche.Mit seinen ganzen guten Vorsätzen schmählich sitzen gelassen, wusste er plötzlich nicht mehr so recht, was er mit dem angebrochenen Abend anfangen sollte.Gewiss, er hatte seine Romane, die gelesen werden wollten; angefangene Arbeiten im Haus, die zu Ende geführt werden wollten… er konnte fernsehen – einfach zur Abwechslung mal selbst über seine Zeit bestimmen.Aber ohne die beruhigende Gewissheit, dass Gemma irgendwo in der Nähe war, konnte ihn die Aussicht darauf irgendwie nicht mehr reizen.Kincaid musste lachen, als ihm die Ironie des Ganzen bewusst wurde: Er, der sich immer so viel auf seine Selbstständigkeit eingebildet hatte, hockte hier herum und schmollte wie ein liebeskranker Teenager.Er musste sich endlich zusammenreißen.Gedankenverloren nahm er die Post vom Küchentisch und sah sie durch.Rechnungen und Werbebriefe von Kreditkartenanbietern, die üblichen Wurfsendungen – und ganz unten im Stapel ein dicker, cremefarbener Umschlag.Neugierig riss er ihn auf und faltete das Bündel offiziell aussehender Papiere auseinander.Er las das Dokument von vorne bis hinten durch, dann las er es noch einmal, bis ihm endlich der Sinn des juristischen Kauderwelschs aufging.Der Brief kam von einer Anwaltskanzlei, die seine Ex-Schwiegermutter Eugenia Potts vertrat.Kits Großmutter klagte auf Zuerkennung des Sorgerechts.3
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