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.Was hätte sie sagen sollen, außer daß Jenő weg war? Man kann ihnen nichts sagen, und trotzdem bestellen sie einen, wiederholte sie, wie dich, Kálmán.Isti und ich, wir wußten nichts davon, daß unser Vater bestellt worden war, um zu reden, um zu erzählen, wie alles gekommen war und warum, und Zsófi sprach jetzt so darüber, als dürfe man darüber sprechen, als habe unser Vater nichts dagegen, als dürften es plötzlich alle hören, selbst wir, Isti und ich, daß er vor Jahren hatte erklären müssen, wo unsere Mutter war und warum, daß sie ihn wieder und wieder bestellt hatten, weil sie wissen wollten, warum unsere Mutter allein und er nicht mit ihr gegangen war, und weil sie davon überzeugt waren, er würde ihr folgen, wir alle, mein Vater, Isti und ich, würden ihr folgen, bald schon.Unser Vater stellte sein Glas ab, stand auf, um zu Pista in die Gartenlaube zu gehen, und Zsófi sagte, geh nur, solange Karcsi nicht da ist, und unser Vater sah sie an, als wolle er fragen, was kümmert mich Karcsi.Zu uns sagte Zsófi, niemals habe Kálmán über diese Dinge nachgedacht, auch Pista nicht, selbst sie nicht, Zsófi, niemand hätte über diese Dinge nachgedacht, nicht bevor man auf Wachen bestellt wurde, um zu erklären, wer wo war, ganz gleich, ob man etwas wußte oder nicht.Bevor unsere Mutter gegangen war, hatten sie noch anders darüber gedacht, sagte Zsófi, noch 1953, als es mich schon gab, nach den ersten Wochen des Jahres, als der Winter kaum vorbei war und Zsófi und Kálmán sich an einem kalten, hellen Tag in Budapest getroffen hatten, weil sie beide dort zu tun hatten.Sie waren durch die Stadt gelaufen und irgendwann stehengeblieben, weil man stehenzubleiben hatte in dieser Minute, weil alles und jeder stehenblieb, Bahnen, Busse, Menschen, zu Fuß, auf Fahrrädern, weil es so bestimmt worden war, über Lautsprecher oder Sirenen.Jeder stand und schwieg, nicht nur hier, sondern im ganzen Land, selbst in den Ländern ringsum, im Norden, Osten und Süden, in Fabriken, auf Straßen, in der Stadt, auf dem Land, und dann hatten auch sie gestanden und geschwiegen, Zsófi und Kálmán, wie alle anderen.Etwas war zu Ende gegangen, ein Leben war vorbei und mit ihm eine Zeit, eine Zeitrechnung, und Zsófi und unser Vater hatten etwas gespürt, etwas, das der Trauer ähnlich war, das fast Trauer gewesen war, und erst später, Jahre später, als sie schon mehr wußten, als alle schon mehr wußten, hatten sie sich dafür geschämt, daß sie so etwas hatten empfinden können.Zsófi schaute beim Reden auf die Kerzen vor Jenős Bild, als wolle sie all das Jenő erzählen und nicht uns.Sie sagte, hier habe sie Schmerzen, und legte eine Hand auf die Brust über ihrem Bauch, der dort saß wie eine Kugel, und hier ein lautes Pochen, sagte Zsófi, und legte eine Hand auf die Stirn.Anna sagte, Zsófi, du mußt schlafen, leg dich hin, Kata und ich, wir werden aufpassen, daß die Flammen nicht ausgehen, aber Zsófi schüttelte den Kopf, sie könne keinen Schlaf finden, erwiderte sie, es sei nicht nur wegen der Kerzen.Wenn sie sich aufs Bett lege und die Augen schließe, sehe sie immer nur Jenő, Jenő wie er rennt, atmet, stolpert und fällt, und sie denke nach über ihn, sie könne nicht mehr aufhören, über ihn nachzudenken, und dann sagte sie zu Anna, bei Jenő sei es nicht so gewesen wie bei Kálmán, als er so alt war wie Jenő jetzt.Nie sei Jenő von einem Mädchen angefaßt worden, das wußte Zsófi.Wenn er über Nacht wegblieb, sei er nie bei einem Mädchen gewesen, sondern bloß in der Schule, für die er einen Schlüssel hatte, seit er dort Stunden gab.Er habe bis zum Morgen Klavier gespielt, und manchmal habe Zsófi vor ihrem Weg zur Zugstation vorbeigeschaut, Tee in einer Kanne gebracht und Jenő geweckt, wenn er am Klavier eingeschlafen war, mit seinem Kopf auf den Tasten.Kein Mädchen habe Jen gemocht, auch darüber denke sie nach, warum nicht, und sie wisse nicht einmal, ob Jenő überhaupt irgendein Mädchen gemocht habe.Bei Kálmán war es immer anders gewesen, sagte Zsófi und schaute dabei zu Anna, alle Mädchen hatten ihn gemocht, eben weil er nichts von ihnen wissen wollte, und unsere Mutter habe genau das umgekehrt, sie sei die einzige gewesen, die nichts von ihm habe wissen wollen.Kálmán, erwiderte Anna, war es gleich gewesen, wenn er eine Verehrerin hatte, und er hatte einige.Am liebsten habe er in der Küche gelegen, an die Zimmerdecke gestarrt und geraucht und die Tage vergehen lassen, sich nicht gekümmert, ob Winter war oder Sommer, ob Tag oder Nacht.Er habe die Tage vergehen lassen, als sei ein solcher Tag nichts, und wenn jemand ans Fenster klopfte oder vom Tor aus seinen Namen rief, weil man ihn mitnehmen wollte, zum Spaziergang, zum Tanz, ins Kino, hörte Kálmán nichts, kein Klopfen, kein Rufen.Er blieb liegen, und es war Anna, die das Küchenfenster öffnete und hinausrief, Kálmán kann nicht, er hat Besseres zu tun, er muß liegen und rauchen, und sie wiederholte es, wieder und wieder, weil sie glaubte, es würde Kálmán ärgern, wenn sie so redete, und er würde aufstehen und mit den anderen gehen.Anna hatte wissen wollen, an was Kálmán dachte und was er in Gedanken sah, wenn er so lag und rauchte.Erst hatte sie geglaubt, er denke an Miklós, aber nur, weil sie nie aufhörte, an ihn zu denken, und irgendwann wußte sie, daß es nicht Miklós war, an den Kálmán dachte, daß es einfach nichts und niemand war, an was er dachte, einfach nur nichts und niemand.Nach zwei Sommern machte sich niemand mehr die Mühe, die Straße hinabzulaufen, bis zu Annas Haus, um Kálmán zu fragen, ob er mitkommen, ob er dabeisein wolle, und während die anderen zusammensaßen, an den Samstagen, vor der Konditorei, wo ihr Eis in der Sonne schmolz, in einem Garten, unter einem Vordach, in einem Tanzlokal, fuhr Kálmán mit dem Rad zum Fluß, immer an dieselbe Stelle, die er gefunden hatte, versteckt hinter zwei Weiden.Die Hände auf dem Rükken, Beine und Füße gestreckt, sprang er kopfüber von einem Steg ins braune Wasser, schwamm seine Bahnen ohne Angst und legte sich später ans Ufer, um auf die Wellen zu schauen, bis es dunkel wurde, bis er das Wasser nicht mehr sehen, sondern nur noch hören konnte, und neben dem Plätschern der Wellen irgendwann einschlief.Jahre zuvor hatte Miklós ihm verboten, in der Dunkelheit zu schwimmen, aus Angst, er werde hinabgezogen, von einem der vielen Strudel, und Kálmán hielt sich an dieses Verbot, auch später noch.Morgens, wenn er aufwachte, von den Vögeln, vom Licht, vom Wind, sprang er vom Steg ins Wasser, wieder und wieder, schwamm an den Strudeln vorbei, ließ sich treiben von der Strömung, hielt sich fest an Zweigen und Ästen, die übers Wasser ragten, und es dauerte, bis er sich aufs Rad setzte und zurückfuhr, über verlassene Wege, durch gelbe Felder in den Mittag hinein, bis er das Tor öffnete und sein Rad über den Hof schob, wo Anna gewartet hatte, seit dem frühen Morgen, und wo sie jetzt stand und schimpfte, warum kommst du nicht nach Hause und schläfst in deinem Bett, willst du, daß die Mücken dich auffressen?Anna konnte nicht mehr sagen, was Kálmáns Grund gewesen war, zu gehen und sie zurückzulassen, ohne Kuß, ohne Zeichen, ohne Nachricht, in einem leeren Haus, mit einer Leiter an der Mauer, die zum Dachboden führte, aber in einem dieser Sommer sprang Kálmán auf einen Zug, auf den erstbesten, der vorbeifuhr und ihn wegbrachte von hier, von Anna und den anderen im Dorf, und er stieg erst aus, als er sicher war, hier würde ihn niemand mehr kennen und niemand mehr ansprechen.Es war der erste Sommer, in dem Kálmán ohne Haus, ohne Dach und ohne Anna war, und es gefiel ihm, durchs Land zu ziehen, auf Züge zu springen, die Orte zu wechseln, die Plätze, die Gesichter, wann immer er wollte.Er schlief unter Bäumen, an Flüssen und auf Feldern, lief über Gleise und blieb, wo ihm das Blau des Himmels gefiel, das Grün der Felder, wo immer ihm etwas sagte: bleib
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