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.Nach dem letzten Gebet waren die Kerzen zu ganz kleinen Stümpfen niedergebrannt, die Orgel geleitete uns nach draußen.Das Kirchenportal entließ uns in das hektische, brutale, imponierende New York, das die Hölle auf Erden vorwegnahm und mitunter auch den Himmel.Wir standen alle ein wenig benommen und verlegen da.Meine ironischen Glückwünsche hatten Laura und Wolfgang übergangen, meine echten machten sie verlegen.Die amerikanische Sitte, Neuvermählte mit Reis zu überschütten, beendete die Peinlichkeit.Lachend schüttelten sich die beiden die Körner aus den Haaren, als sie auf den Wagen zugingen.Auf einmal wußte ich, was ich zu tun hatte: Ich mußte, um die beiden nicht zu stören, dahin flüchten, wo der Reis wächst.Dafür gab es im Jahre 1954 eine infernalische Gelegenheit: Französisch-Indochina, heute Vietnam genannt.Eine amerikanische Zeitung stellte für mich bei der französischen Regierung einen Einreiseantrag, doch die Franzosen zeigten, zumal bei einem gebürtigen Deutschen, wenig Begeisterung, die Genehmigung zu erteilen.Sie verwiesen zuständigkeitshalber das Gesuch an den Oberbefehlshaber des Französischen Expeditionskorps in Indochina; und dieser hatte offensichtlich ganz andere Sorgen, als noch einen lästigen Reporter mehr auf sein umstrittenes und heiß umkämpftes Territorium zu lassen.Meine Zeitung intervenierte beinahe jede Woche.Die US-Presse hatte zwar in Saigon und Hanoi hervorragende Leute sitzen, aber ich bedrängte die Redakteure, und diese hatten mir immer weitergeholfen, zumal ich auf eigene Rechnung reisen konnte: Der Schindewolff-Konzern warf reichlich Geld ab; das verschaffte mir einen Vorsprung vor Kollegen, die vielleicht begabter oder mutiger waren als ich.Jedenfalls saß ich in der nächsten Zeit vorwiegend auf der französischen Botschaft in Washington herum und antichambrierte.Die Lage war verworren, nicht nur die militärische, sondern auch die politische: Um den blutigen Dschungelkrieg gab es ein politisches Dickicht, das kaum zu durchdringen war.Die amerikanische Öffentlichkeit verurteilte den Kolonialkrieg, den die US-Regierung – zunächst – erst heimlich und dann unheimlich bis zum gerade noch verhinderten Einsatz der Atombombe unterstützte.Die französischen Generale waren auf das Wohlwollen amerikanischer Zeitungen ebenso angewiesen wie auf die Lieferung amerikanischer Waffen.Das würde mich vermutlich, trotz aller Widerstände, nach Dien-Bien-Phu bringen, wo um die Jahreswende der französische Oberbefehlshaber seinen entscheidenden Sieg vorbereitete.In diese Zeit fielen Wolfgangs und Lauras Flitterwochen, und sie verliefen, wie ich es angenommen hatte: kurze Reise, unterbrochen wegen eines medizinischen Kongresses, Rückkehr in die Klinik, Arbeit nach dem selbstgewählten Schema.Morgens der erste, abends der letzte und bei schwierigen Fällen Nachtwache.Und wann hätte es bei Wolfgang, der selbst ein komplizierter Fall war, keine schwierigen Fälle gegeben? Er zog Leidende an sich wie ein Scharlatan, doch er war keiner, und so gesundeten auch nicht alle Patienten.Ich war am frühen Morgen nach New York zurückgekehrt und hatte mich nicht gleich bei Wolfgang gemeldet.Ich wollte die beiden meiden.Sie ließen es nicht zu, deshalb saßen wir beinahe jeden Abend, mitunter zu dritt, doch meistens zu zweit herum und versuchten uns der veränderten Situation anzupassen.Ich hatte Laura zum Essen ins Hickory-House eingeladen.Wolfgang sollte nachkommen, wieder einmal verspätet.Wir aßen stark gewürzte Steaks, und ich fragte Laura:»Glücklich?«»Sicher«, erwiderte sie, und ich glaubte einen unsicheren Klang herauszuhören.Sie war in New York geboren und war als Tochter eines Iren und einer Italienerin typisch für den Schmelztiegel dieser Stadt.»Er ist ein – ein großartiger Mensch«, sagte ich.»Ich weiß es«, erwiderte Laura.Sie konnte tragen, was sie wollte, alles stand ihr ausgezeichnet, wiewohl sie nicht zu den Frauen gehörte, deren Leben sich in Textil- und Modefragen erschöpfte.»Du willst nach Indochina?« fragte sie zögernd.»Ja«, erwiderte ich.»Fliehst du vor uns?«»Vielleicht reiße ich vor mir selber aus«, sagte ich und ärgerte mich über meine Antwort.Ich hoffte, daß meine Augen so zurückhaltend sein würden, wie es meine Hände waren.»Das solltest du dir noch einmal überlegen«, sagte sie.»Schließlich ist es mein Beruf«, entgegnete ich.Wenn sie nicht blind und gefühllos war, mußte sie merken, wie es um mich stand.Und daß sie es nicht war, wußte ich nur zu gut.Von Anfang an spürten wir eine stumme Vertrautheit zwischen uns, eine Affinität, deren wir uns so gut es ging erwehrten.Es ging nicht sehr gut, und deshalb schnappte ich bis zur Erteilung meines Indochina-Visums jeden Auftrag, den ich nur erreichen konnte.Ich fuhr kreuz und quer durch die Staaten, aber ich kam immer wieder nach New York zurück, wo die Redaktionen meiner Zeitung und Zeitschriften etabliert waren.»Vertragt ihr euch?« fragte Wolfgang, als er an unseren Tisch trat.»Ich muß gleich wieder weg.« Er klopfte mir auf den Rücken.»Ist nett von dir, daß du dich um Laura kümmerst.«Ich suchte ihren Blick.Sie wich mir aus.Er schnitt sein Steak in grobe Stücke, schlang es hinunter, mit den Gedanken bei einer Krankengeschichte, ohne zu merken, daß unsere Leidensgeschichte beginnen müßte, wenn er Laura weiterhin so vernachlässigte.Er sah überarbeitet aus, müde.Er hatte eigentlich den gleichen Ausdruck im Gesicht wie damals in Rußland.Und er würde wohl immer und ausschließlich Arzt bleiben.Selbst noch an der Seite einer schönen Frau, die sein bester Freund begehrte.Ich war zornig auf ihn, aber bevor ich es Wolfgang spüren lassen konnte, war er schon wieder weg.»Du irrst«, sagte Laura, die sich bereits auf mein Gesicht verstand, »ich wußte, wen ich heirate.«»Warum hast du ihn dann geheiratet?« fragte ich.»Ich wollte mich schützen, vor mir selbst.«»Das versteh' ich nicht
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