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.»Du suchst das Haus, das für dich den Anfang bedeutet, den inneren Kern, den Traum deiner blinden Unschuld.Das Haus steht nicht mehr, und du bist traurig.Nun, dein Verständnis von der Welt ist vielleicht nicht ganz richtig.Du fragtest mich: ›Warum beten Sie vor einer Mauer?‹, und ich antwortete: ›Weil einst hier der Matreya stand und ich ihn sehe, wenn das Flämmchen brennt.‹Höre und vergiss es nicht, und ich will dir ein Geheimnis mitteilen.Die Dinge, an denen dein Herz hängt, kommen wieder! Betrachte das Bild, präge dir jede Einzelheit ein.Der Mensch ist Schöpfer seiner eigenen Bilder.Du kannst die Welt neu gestalten, du musst es nur wollen.Es hat viel Sinn, darüber nachzudenken.Du glaubst, das Haus steht nicht mehr? Nun denn, baue es auf, mach es vor deinen eigenen Augen sichtbar.Du trägst es in deinem Schatzkästchen; ich habe dich die richtige Handhaltung gelehrt.Werde wie die Spinne, die ihr Netz in der Luft webt.Denn was ist das Netz, wenn nicht das Haus der Spinne?«Ein letzter Funke glühte auf den höchsten Dächern des Potala.Dann erlosch auch dieser, und am Himmel leuchtete nur, einsam und kalt, die unmerklich wandernde Mondsichel.Unter dem schwarzen Tuch der Nacht flimmerten alle Lichter der Neustadt in aufdringlichen Tänzen.Ich war schon sehr spät dran; Frau Chang würde mich mit vorwurfsvollen Augenblitzen empfangen.Aber das war jetzt ohne Bedeutung.Ich fühlte mich zu glücklich, zu befreit, um auch nur einen Gedanken an sie zu verlieren.Das Schicksal hatte gewollt, dass Lhamo mir das Foto gab und der Mönch sozusagen die richtige Gebrauchsanweisung.Das Haus war immer da, hier wie anderswo.Ich trug es bei mir, in meinem Schatzkästchen.Behutsam schob ich die Aufnahme in meine Brieftasche und ließ diese in meiner Jacke verschwinden.Ich verneigte mich vor dem Mönch, sehr tief, mit zusammengelegten Händen.Er umfasste zärtlich meinen Kopf, drückte seine Stirn an meine, gab mir seinen innigsten Segen.Dann ging er, entfernte sich mit gleichmäßigen Schritten.Die zuckenden bunten Lichter, das Blitzen vieler Scheinwerfer hüllten ihn ein, verbargen ihn - weise und tapfer wie selten jemand, und doch nur ein Mönch, ein alter Mann.Jetzt erst wurde mir bewusst, welch unermessliche Geschenke ich auf dieser Reise erhalten hatte.Ich war doch nicht umsonst nach Lhasa gekommen.SIEBENUNDVIERZIGSTES KAPITELDie Maschine senkte sich, tauchte mit gleichmäßig brummenden Motoren in den Nebel ein.Ich lehnte mich entspannt zurück, schluckte, der Druck auf den Ohren ließ nach.Ich spürte eine beinahe unverständliche Freude, wie ein Echo der glücklichen Stimmung, die mich seit Tibet keinen Augenblick verlassen hatte.Die Reise war vorbei, die zehn Tage waren um.Ich war nicht lange genug in Tibet gewesen, um alles zu begreifen.In den Gesichtern der Tibeter aber hatte ich gelesen wie in einem Spiegel, weil sie mir vertraut waren und das reflektierten, was sie nicht sagen konnten.Gesichter, geformt und gebildet aus dem, was sie erlebt und erduldet hatten.Auch wenn sie laut lachten und lustig sprachen, hatte ich sie gespürt, diese enorme Traurigkeit.Ich war in verschiedene Lebensschichten eingetaucht und hatte alle wie in Tücher eingewickelt vorgefunden.Ich hatte mich herangetastet, erfühlt, was wohl darin stecken konnte.Manches hatte ich herausgefunden, anderes nicht.Aber das spielte wohl keine Rolle mehr.Die letzten zwei Tage waren schnell vorübergegangen.Wir hatten Klöster besichtigt, die gut restauriert waren.Frau Chang hatte übersetzt, wenn Alice und Aline Gespräche mit glücklichen Mönchen führten.Wir hatten kleine Dörfer mit frisch getünchten Lehmhäusern besucht.Frau Chang hatte uns erklärt, dass Yakdung und Reisig, das Brennmaterial für den Winter, auf den Balken der flachen Dächer gelagert wurden.Lustige Bewohner hatten uns die großen Gehörne und die Amulette über den Türen gezeigt, die zur Abwehr böser Geister dienten.Es gab auch Sonnen- und Mondsymbole; seltener war ein akkurat gemalter Skorpion zum Schutz gegen das Unheil.Ja, und die buddhistischen Hakenkreuze, rechtsgedreht gemalt, bedeuteten Glück und Gesundheit.Die fröhlichen Bauern, malerisch gekleidet, hatten uns mit Chang-Bier bewirtet.Natürlich hatten wir auch andere Dörfer gesehen, solche, an denen der Reisebus vorbeifuhr, Dörfer mit verkommenen Flachbauten und schlammigen Feldern, auf denen magere Yaks hinter Stacheldraht grasten.Hier sah man keine Gebetsfahnen, nur Stromleitungen, Mobilfunkantennen und Müllhalden.Bei Fragen tat Frau Chang dann peinlich berührt.Ja, es sei eine Schande, aber es kam vor, dass die Müllabfuhr gerade streikte.Und als Rico wissen wollte, ob Streiks in einem totalitären Staat erlaubt seien, meinte Frau Chang, dass Streiks, obwohl sehr unschön und dem Prinzip der gesellschaftlichen Solidarität zuwiderlaufend, geduldet würden.»Aber«, sagte Frau Chang mit leicht gequältem Lächeln, »wenn man den Streikenden die Lage geduldig erklärt, verstehen sie recht bald, warum ihr Verhalten falsch ist.«Wir speisten in sauberen Restaurants; die Tische waren bereits für uns gedeckt.Chinesische Kellnerinnen in tibetischer Tracht erfreuten uns mit Jasmintee und schmackhaften Gerichten.In den Dörfern aber gab es andere Spelunken, schmuddelig, voller tibetischer Betrunkener - ärmlich gekleidete Männer und Frauen mit aufgedunsenen oder verhärmten Gesichtern.Wirklichkeit und Schein - wir ließen uns nicht hinters Licht führen, doch die Illusion wurde aufrechterhalten
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