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.«Cornix legte ihre Hand auf die Brust.»Ich verspreche es dir, Bernina.«Es war das erste Mal, dass sie Berninas Namen aussprach, und wie sie das tat, so weich und zart, als würden ihre Lippen das Wort streicheln, überhörte Bernina keineswegs.Es gibt da etwas, das du mir verschweigst, dachte sie dennoch insgeheim.Nicht nur der Petersthal-Hof, auch die Krähenfrau hatte ihre Geheimnisse, das wurde ihr immer stärker bewusst.Bernina machte es sich auf der Schlafstelle bequem, und wieder beschlich sie ein sonderbares Gefühl.Mit einem Erschauern spürte sie, dass das Vergangene nicht abgeschlossen, nicht tot war, sondern dass es vielmehr weiterlebte, hier in dieser Hütte zu schweben schien, rätselhaft und bedrohlich, unsichtbar und dennoch deutlich fühlbar.*Der Reiter in Schwarz, der Mann mit den Eiskristallaugen und den silbernen Haarsträhnen, tauchte noch oft auf, eine hoch aufragende Gestalt auf einem dunklen Pferd, umhüllt von weißen Nebelfetzen.Manchmal sah Bernina ihn kurz zwischen den Bäumen, während sie dabei war, wilde Kräuter zu sammeln, dann wieder, wenn sie einen flüchtigen Blick aus dem mit einem Stück Tuch halb verhängten Fenster der Hütte warf.Am häufigsten suchte er sie allerdings nachts heim, im Schlaf, in fürchterlichen Träumen, in denen sie rannte, um sich vor dem Degen des Reiters zu schützen, der ihre Verfolgung aufgenommen hatte und seine kalten Blicke hart in ihren Rücken grub.Immer, wenn sie aus einem solchen Albtraum hochschreckte, ganz egal ob um Mitternacht oder im fahl wabernden Licht eines langsam heraufziehenden Morgens, sah Bernina als Erstes die hockende Gestalt der Krähenfrau, die stets an ihrer Seite war, als könnte sie es vorhersehen, wann der Mann wieder erscheinen würde.Sie war wie ein Wachposten, der niemals Schlaf nötig zu haben schien, der jederzeit bereit war einzugreifen.Mit leiser Stimme erklärte sie dann, dass alles vorbei, dass alles bloß ein schlimmer Traum gewesen sei.So beruhigend ihre Worte auch jedes Mal sein mochten, lag doch auch etwas Unheimliches in der Art, wie die Frau dasaß, die Beine unter ihrem Körper und ihren Umhängen verborgen, die Augen so wach und geistesgegenwärtig wie jene des mysteriösen Reiters.Während die Tage wärmer wurden, wehten nachts noch immer kalte Winde durch den Wald, kämpften sich zwischen Sträuchern und Bäumen hindurch und rissen an den schwachen Wänden der Hütte.Oft lag Bernina wach und lauschte den Böen und dem Krächzen der Krähen, die sich seit ihrem ersten Auftauchen nahezu jeden Tag sehen ließen.Auch sie wirkten auf gewisse Art wie Wachposten, deren Augen Bernina schon erwarteten, wenn sie morgens aus der Hütte trat.Die Krähenfrau hielt sich seltener in der Hütte auf als in den ersten Tagen nach dem Überfall.Zuerst widerstrebte es ihr, Bernina allein zu lassen, doch die drängte sie dazu.»Du kannst mich schließlich nicht ununterbrochen bewachen«, stellte sie klar.»Nimm deinen Alltag wieder auf, sonst bekomme ich wirklich ein schlechtes Gewissen.« Und so war die Frau nun wieder öfter unterwegs, genau wie früher.Sie wanderte mit ihren Wurzeln und Kräutern von Hof zu Hof, von einer Ansiedlung zur nächsten und behandelte in abgelegenen Scheunen Erkrankte.Die Bauernmärkte bis nach Offenburg besuchte sie, und manchmal wurde der Weg weit und sie blieb über Nacht fort.Allein in der Hütte zu sein, fühlte sich eigenartig an.Eine noch gespenstischere Atmosphäre als sonst machte sich dann in der engen Behausung breit, gerade nachts, wenn niemand da war, um Bernina nach einem schlechten Traum zu beruhigen.Doch es gab auch zahlreiche Momente, in denen Bernina das Alleinsein genoss.Gelegentlich verspürte sie den Drang, noch einmal den Hof und das geheimnisvolle Zimmer aufzusuchen.Aber das tat sie dann lieber nicht.Die Schrecken des Überfalls wirkten eben doch noch nach und unterdrückten ihre Neugier.Auch wenn sie nicht wusste, was sie nun mit sich anfangen sollte, fand sie sich zunächst damit ab, erst einmal abzuwarten, bevor sie in ein neues Leben stürmte.Wie sie es Cornix versprochen hatte, ruhte sie sich aus.Es galt, neue Kraft zu gewinnen.Während Bernina anfangs noch von der Krähenfrau begleitet worden war, die ihr zeigte, welche Kräuter es wert waren, gesammelt zu werden, strich sie inzwischen oft allein durch die Wälder, wobei sie die verwüsteten Gebäude des Petersthal-Hofes weiterhin mied.Bernina hatte rasch gelernt, sich zurechtzufinden und viele Pflanzen, die sich auf einmal in ziemlicher Geschwindigkeit der Sonne entgegenrankten, zu erkennen und voneinander zu unterscheiden.Sie verwechselte Giersch, den Cornix bei Gichtkranken einsetzte, nicht mehr mit einigen seiner fast gleich aussehenden giftigen Doppelgänger.Und sie wusste, in welchen Wiesen der erste Feigwurz des Jahres zu finden war, wo sie auf Gundermann, Vogelmiere, Bärlauch, verschiedene Kressearten und vor allem Pimpinelle stieß, die nach Cornix’ Ansicht gegen viele Krankheiten half.Nach ihren Abstechern zu den Höfen und Dörfern setzte sich die Krähenfrau immer mit Bernina zusammen ans Hüttenfeuer, um Kräutertee zu trinken und von dem zu erzählen, was sie gehört hatte, was hier und da geredet wurde.Was Cornix zu berichten hatte, klang alles andere als ermutigend.Der Krieg war allgegenwärtig, stärker und gewaltiger als zuvor, breitete sich aus wie eine Krankheit, brachte Ströme von Blut und trieb die Menschen in panischer Angst vor sich her.An eine Anstellung als Magd war laut Cornix im Moment nicht zu denken.»Niemand bietet Arbeit an«, sagte sie und schlürfte ihren Tee, während Bernina auf ihrer Schlafstelle saß, das Kinn auf die Knie gebettet, den Blick verloren auf die eingeritzten Symbole an der Wand geheftet.»Jeder ist vollauf damit beschäftigt«, fuhr die Krähenfrau fort, »die eigene Haut zu retten.Ich war im Dorf.Stell dir vor, es ist zu einem Dorf der Geister geworden
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