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.«»Willst du damit sagen, daß es verschiedene Arten von Sehern gibt?«»Nein.Ich will sagen, daß es massenhaft Dummköpfe gibt, die Seher werden.Seher sind Menschen voller Schwächen, oder vielmehr, Menschen, voller Schwächen können Seher werden.Ähnlich wie im Falle von schwächlichen Leuten, die große Wissenschaftler werden können.Das gemeinsame Merkmal schwächlicher Seher ist, daß sie leicht bereit sind, das Wunder dieser Welt zu vergessen.Sie sind hingerissen von der Tatsache, daß sie sehen, und glauben, sie verdankten es ihrem Genie.Ein Seher müßte ein Muster an Vollkommenheit sein, um die beinah unüberwindliche Nachlässigkeit unserer menschlichen Kondition zu überwinden.Wichtiger als das Sehen selbst ist das, was der Seher anfängt mit dem, was er sieht.« »Was willst du damit sagen, Don Juan?«»Sieh nur, was gewisse Seher uns angetan haben.Da sitzen wir und kleben an ihrer Vision eines Adlers, der uns regiert und uns im Augenblick unseres Todes verschlingt.« An dieser Vorstellung, sagte er, sei etwas eindeutig Nachlässiges.Er persönlich könne keinen Gefallen finden an der Vorstellung, daß irgend etwas uns am Ende verschlinge.Wenn es nach ihm ginge, meinte er, sollte man zutreffender sagen, daß da eine Kraft sei, die unser Bewußtsein anzieht, ähnlich wie ein Magnet Eisenspäne anzieht.Im Augenblick des Sterbens löse unser Sein sich dann auf in der Anziehung dieser unendlichen Kraft.Daß dieser Vorgang als ein uns verschlingender Adler interpretiert werden konnte, fand er grotesk, denn es mache aus diesem unbeschreiblichen Akt etwas so Alltägliches wie das Gefressenwerden.»Ich bin ein sehr durchschnittlicher Mensch«, sagte ich.»Die Vorstellung eines Adlers, der uns verschlingt, macht einen starken Eindruck auf mich.«»Den wirklichen Eindruck kannst du erst in dem Augenblick ermessen, da du es selber siehst«, sagte er.»Aber du darfst nicht vergessen, daß wir unsere Schwächen behalten, auch nachdem wir Seher geworden sind.Wenn du also diese Kraft siehst, könntest du ohne weiteres den nachlässigen Sehern beipflichten, die sie als den Adler bezeichneten - wie ich selbst es getan habe.Vielleicht wirst du es aber auch nicht tun.Vielleicht wirst du der Versuchung widerstehen, dem Unvorstellbaren menschliche Eigenschaften zuzuschreiben, und tatsächlich einen neuen Namen dafür erfinden, einen zutreffenderen.« »Seher, die die Emanationen des Adlers sehen, bezeichnen sie oft als Befehle«, sagte Don Juan.»Ich selbst wäre einverstanden, sie Befehle zu nennen, hätte ich mich nicht daran gewöhnt, sie als Emanationen zu bezeichnen.Das war bei mir eine Reaktion gegen die Vorliebe meines Wohltäters; für ihn waren es Befehle.Dieses Wort, fand ich, entsprach eher seiner dominierenden Persönlichkeit als der meinen.Ich wollte lieber etwas Unpersönliches.Befehle, das klingt mir zu menschlich, aber das sind sie eigentlich - Befehle.«Die Emanationen des Adlers zu sehen, so meinte Don Juan, bedeute im Grunde, die Katastrophe heraufbeschwören.Die neuen Seher hätten gar bald die damit verbundenen, ungeheuren Schwierigkeiten entdeckt, und erst nach großer Bedrängnis und vielen Versuchen, das Unbekannte zu kartographieren und es von dem Unerkennbaren zu scheiden, hätten sie erkannt, daß alles, was ist, aus den Emanationen des Adlers besteht.Ein kleiner Teil dieser Emanantionen sei dem menschlichen Bewußtsein zugänglich, und auch dieser kleine Teil werde durch die Zwänge unseres Alltagslebens auf einen winzigen Bruchteil weiterverringert.Dieser winzige Bruchteil der Emanationen des Adlers sei das Bekannte; der kleine Teil, der überhaupt dem menschlichen Bewußtsein zugänglich sei, sei das Unbekannte, und der unermeßliche Rest sei das Unerkennbare.Und weiter erzählte er, daß die neuen Seher, in ihrer praktischen Gesinnung, alsbald der unwiderstehlichen Macht der Emanationen gewahrten.Sie erkannten, daß alle Lebewesen mit den Emanationen des Adlers arbeiten müssen, ohne zu wissen, was sie eigentlich sind.Sie erkannten auch, daß die Organismen darauf eingerichtet sind, ein bestimmtes Spektrum dieser Emanationen zu erfassen und daß jeder Spezies ein bestimmtes Spektrum von Emanationen zukommt.Die Emanationen üben einen starken Druck auf die Organismen aus, und mittels dieses Drucks bauen die Organismen ihre wahrnehmbare Welt auf.»Wir als Menschen«, sagte Don Juan, »arbeiten mit diesen Emanationen und interpretieren sie als Realität.Doch was der Mensch empfindet, ist ein so kleiner Teil der Emanationen des Adlers, daß es lächerlich wäre, sich groß auf unsere Wahrnehmungen zu verlassen, und doch ist es uns nicht möglich, unsere Wahrnehmungen zu ignorieren.Dies mußten die neuen Seher auf die harte Art lernen - und unter dem Risiko unabsehbarer Gefahren.«Don Juan saß an seinem gewohnten Platz in dem großen Zimmer.Normalerweise gab es keine Möbel in diesem Raum.Die Leute saßen auf Matten am Boden.Aber Carol, die Nagual-Frau, hatte es dennoch fertiggebracht, ihn mit sehr bequemen Sesseln auszustatten - für die Zusammenkünfte, bei denen wir beide abwechselnd Don Juan aus den Werken spanisch schreibender Dichter vorlasen.»Gib genau acht auf das, was wir tun«, sagte er, kaum daß ich Platz genommen hatte.»Wir sprechen über die Beherrschung des Bewußtseins.Und die Wahrheiten, über die wir sprechen, sind die Prinzipien, die zu dieser Kenntnis führen.« Bei seinen Lehren für die rechte Seite, fuhr er fort, habe er versucht, diese Prinzipien meinem NormalBewußtsein zu demonstrieren, und zwar mit Hilfe Genaros, eines seiner Seher-Gefährten.Und Genaro habe mit meinem Bewußtsein gespielt - mit allem Humor und aller Respektlosigkeit, für die die neuen Seher bekannt seien.»Genaro sollte hier sitzen und dir vom Adler erzählen«, sagte er.»Nur, daß seine Darstellung allzu respektlos wäre.Er findet, die Seher, die jene Kraft als den Adler bezeichneten, waren wohl ziemlich dumm, oder große Spaßmacher, weil Adler ja nicht nur Eier legen, sondern auch Schmutz machen.« Don Juan lachte und meinte, er fände Genaros Bemerkung tatsächlich treffend und zum Lachen.Wäre den neuen Sehern die Aufgabe zugefallen, den Adler zu beschreiben, die ganze Beschreibung wäre wahrscheinlich ziemlich spaßig ausgefallen.Ich erzählte Don Juan, daß ich den Adler einerseits als poetisches Bild auffaßte, und als solches gefalle er mir.Andererseits aber faßte ich die Beschreibung wörtlich auf, und das machte mir angst.»Die Angst ist eine der stärksten Kräfte im Leben des Kriegers«, sagte er.»Sie spornt an zu lernen.«Er erinnerte mich daran, daß die Beschreibung des Adlers immerhin von den alten Sehern stamme.Die neuen Seher hätten nichts mehr im Sinn mit all solchen Beschreibungen, Gleichnissen und Vermutungen
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